Alle Jahre wieder fahre ich mit meiner Schwester Lilo und einem lieben Freund, der viele Jahre lang ihr Betreuer im Wohnheim der Lebenshilfe war (sie ist von Geburt an stark körperbehindert – sehr spastisch, kann nicht gehen und nicht sprechen) ein paar Tage auf Urlaub. Darauf freut sie sich wochenlang – diese paar Tage sind für sie das absolute Highlight des Jahres! Ich finde das sehr berührend! Was für ein Leben!
Es war schon recht speziell, mit einer behinderten Schwester aufzuwachsen! Sie hat mir leid getan, sie hat mich genervt, ich war voller Fragen (wieso kann sie das alles nicht, was ich kann – laufen, singen, tanzen, springen, Ball spielen, mit den Eltern auf Urlaub fahren usw.) und ich hab sie immer wieder zum Lachen gebracht durch allerlei „Blödsinn“.
Mit knapp 19 Jahren bin ich von zu Hause ausgezogen und war immer irgendwo – im Ausland, in Wien, auf Reisen und bin nur öfter mal zu Besuch gekommen – wir hatten also eher sporadisch Kontakt. Erst als unsere Mutter sie nicht mehr betreuen konnte und dann vor ziemlich genau 15 Jahren gestorben ist, hat sich unsere Beziehung vertieft und da hab ich sie erst richtig schätzen und von Herzen lieben gelernt!
Unser heuriger Urlaub: wir waren (wie schon öfter) in Grado, es war brütend heiß und wieder sehr lustig! Wenn wir beisammen sind, kommt – so wie in der Kindheit – die Clownin in mir zum Vorschein und ist ganz in ihrem Element! Unser Freund ist auch recht humorvoll und wir haben die lustigsten Ideen! Es ist mir spontan immer wieder ein Anliegen, daß sie mit der Stimme rauskommt (sie kann nicht sprechen, aber irgendwelche Töne und Laute kommen dann schon heraus); ich inszeniere gespielte Streitereien, provoziere sie zum Spaß, rege unsere „Dreigesänge „an (Trio modlet&krax) – heuer waren es Hitze-Stöhn-Lieder, auf der Heimfahrt Klagelieder (Urlaub schon wieder vorbei!), es entstehen witzige Fotos und wenn sie abends ein Schluckerl Wein trinkt, gibt es kein Halten mehr, dann wird nur mehr gelacht!
Und so sind diese kleinen Lilo-Urlaube auch für mich und unseren Freund bereichernd, ich freue mich auch jedes Mal drauf!
alles was Flügel hat, fliegt!
POST-GRADO-REFLEKTIONEN:
Beim Reflektieren über unsere gemeinsam verbrachten Tage ist in mir ein Impuls aufgestiegen: beim nächsten Beisammensein möchte ich anregen, daß wir mal gemeinsam still werden – an einem schönen ruhigen Ort… an einem See, Fluß oder Meer… Ja!
Ich weiß, daß meine Schwester auch Zugang zur Stille hat und sich darin wohlfühlen und entspannen kann! Daß ihre Seele wissend und weise ist – das kann ich immer besser (hinter all ihren Behinderungen und Verkrampfungen) wahrnehmen. Darüber freue ich mich sehr!
Meistens ist bisher auf der Heimfahrt von diesen paar Urlaubstagen- zurück in ihren immer gleichen Alltag im Wohnhaus der Lebenshilfe – viel Schmerz und Traurigkeit in ihr hochgekommen, viele Tränen über ihren Zustand, weil ihr bewußt wird, wie schön und bunt ein „normales“ Leben sein kann.
Diesmal war diese Traurigkeit auch da, aber leichter, kürzer, viel weniger intensiv… ich hatte das Gefühl, daß sie gar nicht mehr so tief in Schmerz und Asche rein muß, sondern daß auch in ihr der „göttliche Wind“ weht und wirkt, der uns erheben und befreien möchte. Der uns hilft, immer mehr an einem schönen ruhigen inneren Ort zu sein!
Den Schmerz kennen und zulassen, wie er kleiner, schwächer und leichter wird… bis nur mehr ein Echo bleibt…
Treffen wir uns an diesem ruhigen schönen Ort in uns – am See am Fluß am Meer…
OM TARE TU TARE
Möge das Mitgefühl für alle Wesen dieser Erde unsere Herzen öffnen und uns vereinen.
Hinter die Fassaden, Masken und Mauern laß uns blicken und unser schönes, wahres Leuchten wahrnehmen und erkennen!
So schön, wenn ich manchmal fühlen kann, wie wir emporgehoben sind – hinauf-hinein in ein geklärtes, gut geerdetes, von Farben und Licht durchströmtes Sein.
DANKE DANKE DANKE!
Noch ein PS: während derselben Reflektion/Meditation gestern abends ist im Zusammenhang mit dem Thema Schmerz und Mitgefühl etwas in mir aufgetaucht, das sich nur selten zeigt: der Schmerz über mein vieles und schon langes Alleine-Sein – ohne Partner, ohne Gefährten, ohne Kinder und Enkelkinder, ohne Tiere, nur mit ab und an einem lover, einem Geliebten… es fühlt sich so gut und heilsam an, diesen Schmerz zu spüren – er wiegt nicht schwer, er öffnet tiefere Herzkammern und läßt Liebe fließen.
OM TARE TU TARE
Ein paar Augenblicke lang fühle ich den Engel des Mitgefühls wie neben mir/in mir, wie er mein Herz für mich, für mein kleines Ich sanft ÖFFNET. Sooo schön!